Viele Bands haben ein gemeinsames Problem: Sie wissen zwar, dass sie Musik machen wollen, nicht aber wie diese im Endeffekt genau klingen soll. Darum und weil es heute schon fast zwingend ist, als Band zu behaupten einen Musikstil zu machen, der sich nirgendwo einordnen lässt, wird dann aus dem angesammelten Rohmaterial etwas gebastelt, für das es keinen wirklichen Plan oder Bestimmung gibt. Dementsprechend klingt meistens das Ergebnis: Gute Ansätze und weiter nichts.
Ganz anders ist der Eindruck den man von der Musik hat, die sich auf „Steadied Stars in the Morphium Sky“ befindet. Hier hat man nicht das Gefühl, dass man es mit einer Band zu tun hat, die sich einfach so zum Zeitvertreib einmal ein bisschen an eigenen Liedern versucht. Man ist nicht überrascht davon, wenn man erfährt dass es sich bei „Our Ceasing Voice“ um 3 junge Menschen handelt, die sich über das gewöhnliche Maß hinaus für Musik begeistern und sich auch dementsprechend intensiv damit auseinandergesetzt haben. Jedoch zeigt sich dies nicht – wie viele vielleicht vermuten würden – in waghalsigen Experimenten und überbordender Vielfalt, sondern gerade in der Einfachheit, der Zurückgezogenheit, der Reduktion aufs Wesentliche.
Schon im ersten Lied der EP, das den Titel „The inevitable Fall“ trägt, wird schnell offenbar, dass Our Ceasing Voice ihre selbstgestellte Aufgabe überaus ernst nehmen. Diese könnte lauten: „Den Zuhörer auf eine kurze Reise mitzunehmen, ohne dass dieser sich dessen richtig bewusst wird“. Das Lied nimmt sich zunächst lange dazu Zeit, eine beklemmende Atmosphäre aufzubauen. Wie ein langsam aufsteigender Heißluftballon gewinnt es Meter um Meter an Höhe. Erhitzt durch Emotionen die zu tief gehen um direkt deutlich ausgesprochen zu werden, drängt die Luft nach oben. Die unterdrückten inneren Stimmen bestätigen es: Hier ist etwas, das sich Raum verschaffen muss und wird. Ab 6:40 verdichtet sich diese Vorahnung und wird blitzschnell Realität. Der Absturz ist unvermeidlich. Genauso wie die Gewissheit, dass es danach ruhig sein wird. Aber ist diese Ruhe wirklich das, was man mit seinem Flug in den Himmel erreichen wollte, das, was man gesucht hat?
Bevor man sich darüber klar werden kann, wird man von den ungewöhnlichen Samples abgelenkt und an einem neuen Ausgangspunkt abgesetzt: Eine reinigende Atmosphäre, ein klärendes Gefühl, eine Melodie die doch eine gewisse Hoffnung enthält. Und plötzlich vernimmt man den Countdown... 3 ... 2 ... 1 ... Zero und findet sich selbst in der nun startenden Rakete wieder. Der Heißluftballon war nur ein zögerlicher Versuch - er musste scheitern! Jetzt aber ist es Zeit herauszufinden ob man sie nicht doch überwinden kann, diese Hürde, die Erdanziehungskraft, (was auch immer sie für jeden Einzelnen Unterschiedliches bedeuten mag...) ob es nicht doch möglich ist die Atmosphäre zu verlassen. Die Frage bleibt letztlich unbeantwortet, denn auch wenn es vielleicht gelungen ist, hat man mit dem ganzen Bewusstsein seiner Vergangenheit, seiner uneingestandenen Verbundenheit mit den Dingen nicht doch die ganze Welt hinter sich hergezogen? Dreht sich die Welt nicht langsam und gleichförmig wie immer an dem neuen Platz, an den wir sie mit all unserer Kraft gezogen haben? Hat sie unsere Anstrengung überhaupt bemerkt, oder besteht der einzige Unterschied wirklich darin, dass wir nun müde sind? Für mich ist „Of Lives once lost“ der absolute Höhepunkt des Albums, weil es bewegt ohne etwas Bestimmtes zu versprechen, weil es keiner Drohungen bedarf um uns Angst zu machen und weil es Fragen stellt anstatt Antworten zu geben, die hier nur lächerlich wirken würden.
„As the Horizon’s on Fire“ beginnt erneut mit einem sphärischen Aufbau. Die schwer verständlichen Vocals vermitteln den Eindruck einem gebrochenen Menschen gegenüberzustehen, der nicht mehr in Lage ist seine Geschichte zu erzählen. Doch der Blick in sein Gesicht, auf seine Narben, in die Leere seiner Augen verrät uns was mit Worten doch nicht zu sagen wäre. Toll ist bei diesem Lied vor allem der interessante Einsatz des Hintergrundbeats, aber auch der minimalistische Gesang, der etwas an die ruhigsten Einlagen eines Maynard James Keenan erinnert, gefällt mir persönlich sehr. Schade, dass davon nicht etwas mehr zu hören ist.
Das letzte Lied der EP „Dazzled Eyes are shut“ wartet noch einmal mit einer gewaltigen dynamischen Steigerung auf, die auf ihrem Höhepunkt alles abräumt und mitreißt, was nicht mit Stahlseilen befestigt wurde. Ein in sich doch überaus schwaches Wesen wie der Mensch, hat hier wohl kaum eine Chance die anrollende Welle zu überstehen, sofern er sich nicht schon zuvor in Sicherheit bringen konnte. Mit geschlossenen Augen wartet man als Zuhörer also darauf fortgerissen zu werden und für immer verloren zu gehen.
Umso überraschter öffnet man daher nach dem relativ abrupten Ende seine Augen und stellt fest, dass man immer noch unversehrt ist. Man findet sich plötzlich zurückversetzt in die Welt, die Realität aus der einen – und darüber staunt man nicht schlecht – die Band tatsächlich kurz entführt hat. Man bedankt sich innerlich kurz für dieses Erlebnis und geht langsam weiter - mit dem Gefühl jetzt einiges verarbeiten zu müssen, aber auch mit der Gewissheit diese Reise wieder machen zu wollen.
Mein spezieller Dank geht an die 3 Jungs an dieser Stelle aber auch aus einem anderen Grund: Sebi, Chris und Reini sind nämlich die Initiatoren und Masterminds der „postrockcommunity“ und haben uns seither unzählige tolle Alben nähergebracht und dafür gesorgt, dass ein reger Austausch über verschiedenste Genres stattfinden konnte. Danke euch dafür! Eigentlich sollten alleine deshalb schon alle die EP von „Our Ceasing Voice“ kaufen, da es sich dabei aber auch noch um wirklich großartige Musik handelt, erübrigt sich das Erste. Hört es euch an!
Genre: Ambient, Experimental, Post Rock, Shoegaze
320 kBit/s (VBR)
(29:31)
Preview:
Myspace
LastFM
Buy and Support (hand made packacking, hand-numbered, limited to 50 copies)
Download
PW: postrockcommunity.blogspot.com
Ganz anders ist der Eindruck den man von der Musik hat, die sich auf „Steadied Stars in the Morphium Sky“ befindet. Hier hat man nicht das Gefühl, dass man es mit einer Band zu tun hat, die sich einfach so zum Zeitvertreib einmal ein bisschen an eigenen Liedern versucht. Man ist nicht überrascht davon, wenn man erfährt dass es sich bei „Our Ceasing Voice“ um 3 junge Menschen handelt, die sich über das gewöhnliche Maß hinaus für Musik begeistern und sich auch dementsprechend intensiv damit auseinandergesetzt haben. Jedoch zeigt sich dies nicht – wie viele vielleicht vermuten würden – in waghalsigen Experimenten und überbordender Vielfalt, sondern gerade in der Einfachheit, der Zurückgezogenheit, der Reduktion aufs Wesentliche.
Schon im ersten Lied der EP, das den Titel „The inevitable Fall“ trägt, wird schnell offenbar, dass Our Ceasing Voice ihre selbstgestellte Aufgabe überaus ernst nehmen. Diese könnte lauten: „Den Zuhörer auf eine kurze Reise mitzunehmen, ohne dass dieser sich dessen richtig bewusst wird“. Das Lied nimmt sich zunächst lange dazu Zeit, eine beklemmende Atmosphäre aufzubauen. Wie ein langsam aufsteigender Heißluftballon gewinnt es Meter um Meter an Höhe. Erhitzt durch Emotionen die zu tief gehen um direkt deutlich ausgesprochen zu werden, drängt die Luft nach oben. Die unterdrückten inneren Stimmen bestätigen es: Hier ist etwas, das sich Raum verschaffen muss und wird. Ab 6:40 verdichtet sich diese Vorahnung und wird blitzschnell Realität. Der Absturz ist unvermeidlich. Genauso wie die Gewissheit, dass es danach ruhig sein wird. Aber ist diese Ruhe wirklich das, was man mit seinem Flug in den Himmel erreichen wollte, das, was man gesucht hat?
Bevor man sich darüber klar werden kann, wird man von den ungewöhnlichen Samples abgelenkt und an einem neuen Ausgangspunkt abgesetzt: Eine reinigende Atmosphäre, ein klärendes Gefühl, eine Melodie die doch eine gewisse Hoffnung enthält. Und plötzlich vernimmt man den Countdown... 3 ... 2 ... 1 ... Zero und findet sich selbst in der nun startenden Rakete wieder. Der Heißluftballon war nur ein zögerlicher Versuch - er musste scheitern! Jetzt aber ist es Zeit herauszufinden ob man sie nicht doch überwinden kann, diese Hürde, die Erdanziehungskraft, (was auch immer sie für jeden Einzelnen Unterschiedliches bedeuten mag...) ob es nicht doch möglich ist die Atmosphäre zu verlassen. Die Frage bleibt letztlich unbeantwortet, denn auch wenn es vielleicht gelungen ist, hat man mit dem ganzen Bewusstsein seiner Vergangenheit, seiner uneingestandenen Verbundenheit mit den Dingen nicht doch die ganze Welt hinter sich hergezogen? Dreht sich die Welt nicht langsam und gleichförmig wie immer an dem neuen Platz, an den wir sie mit all unserer Kraft gezogen haben? Hat sie unsere Anstrengung überhaupt bemerkt, oder besteht der einzige Unterschied wirklich darin, dass wir nun müde sind? Für mich ist „Of Lives once lost“ der absolute Höhepunkt des Albums, weil es bewegt ohne etwas Bestimmtes zu versprechen, weil es keiner Drohungen bedarf um uns Angst zu machen und weil es Fragen stellt anstatt Antworten zu geben, die hier nur lächerlich wirken würden.
„As the Horizon’s on Fire“ beginnt erneut mit einem sphärischen Aufbau. Die schwer verständlichen Vocals vermitteln den Eindruck einem gebrochenen Menschen gegenüberzustehen, der nicht mehr in Lage ist seine Geschichte zu erzählen. Doch der Blick in sein Gesicht, auf seine Narben, in die Leere seiner Augen verrät uns was mit Worten doch nicht zu sagen wäre. Toll ist bei diesem Lied vor allem der interessante Einsatz des Hintergrundbeats, aber auch der minimalistische Gesang, der etwas an die ruhigsten Einlagen eines Maynard James Keenan erinnert, gefällt mir persönlich sehr. Schade, dass davon nicht etwas mehr zu hören ist.
Das letzte Lied der EP „Dazzled Eyes are shut“ wartet noch einmal mit einer gewaltigen dynamischen Steigerung auf, die auf ihrem Höhepunkt alles abräumt und mitreißt, was nicht mit Stahlseilen befestigt wurde. Ein in sich doch überaus schwaches Wesen wie der Mensch, hat hier wohl kaum eine Chance die anrollende Welle zu überstehen, sofern er sich nicht schon zuvor in Sicherheit bringen konnte. Mit geschlossenen Augen wartet man als Zuhörer also darauf fortgerissen zu werden und für immer verloren zu gehen.
Umso überraschter öffnet man daher nach dem relativ abrupten Ende seine Augen und stellt fest, dass man immer noch unversehrt ist. Man findet sich plötzlich zurückversetzt in die Welt, die Realität aus der einen – und darüber staunt man nicht schlecht – die Band tatsächlich kurz entführt hat. Man bedankt sich innerlich kurz für dieses Erlebnis und geht langsam weiter - mit dem Gefühl jetzt einiges verarbeiten zu müssen, aber auch mit der Gewissheit diese Reise wieder machen zu wollen.
Mein spezieller Dank geht an die 3 Jungs an dieser Stelle aber auch aus einem anderen Grund: Sebi, Chris und Reini sind nämlich die Initiatoren und Masterminds der „postrockcommunity“ und haben uns seither unzählige tolle Alben nähergebracht und dafür gesorgt, dass ein reger Austausch über verschiedenste Genres stattfinden konnte. Danke euch dafür! Eigentlich sollten alleine deshalb schon alle die EP von „Our Ceasing Voice“ kaufen, da es sich dabei aber auch noch um wirklich großartige Musik handelt, erübrigt sich das Erste. Hört es euch an!
Genre: Ambient, Experimental, Post Rock, Shoegaze
320 kBit/s (VBR)
(29:31)
Preview:
Myspace
LastFM
Buy and Support (hand made packacking, hand-numbered, limited to 50 copies)
Download
PW: postrockcommunity.blogspot.com
3 Kommentare:
vielen dank, johannes für das tolle review. Dass du dir die Zeit genommen hast, so intensiv auf die Musik einzugehen, bedeutet echt viel für mich/uns. Außerdem freut es mich natürlich sehr, dass die EP gefällt.
danke johannes! :) wirklich tolles review... haben schon gewusst warum wir dir das in den schoß legen ;)
mfgee, auf ein baldiges wiedersehen
Hat mich vollkommen überzeugt und hab mir gleich eine EP gesichert. Freu mich sehr drauf, das Ganze dann tatsächlich in den Händen halten zu können. Fotos von der CD steigern die Vorfreude noch mehr!! Bin echt verdammt gespannt...
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